Spalt im Herz

Im Rückblick, nachdem bereits viel Zeit verstrichen war, konnte sie sagen … und hier, schon hier musste sie innehalten im Text. Denn das Ende dieser Liebe hatte sie damals sprachlos werden lassen, rückhaltlos, verstört und unsagbar traurig, sogar jetzt noch spürte sie einen Nachhall dessen. Es gab nichts zu verstehen, auch keinen Grund für Zorn, denn etwas hatte sich erfüllt und war in jener Zeit, in der sie zusammen gewesen waren, aufgegangen, hatte sich aufgelöst wie ein Stück Zucker in der Bitterkeit einer Tasse schwarzen, frisch aufgebrühten Kaffees. Es war vollkommen, und hatte daher naturgemäß sein Ende gefunden.

So war verstört wohl nicht das richtige Wort. Aber ihr Herz, das hatte einen weiteren Spalt seitdem. Wie der Text eines ihrer geliebten Lieder lautete: durch diesen gelangte das Licht in die Dunkelheit eines vorher verschlossenen Raumes.

Sie wusste, sie würde irgendwann sterben. Vielleicht sogar an einem gänzlich zerbrochenen Herzen. Bedeutete dies, sie wäre dann vollständig lichtdurchflutet? Gäbe es einen besseren Tod?

Sie warf entschlossen den Kopf in den Nacken, nach einer dieser Nächte der Trauer, ihr Haar fiel zurück. Sie hatte ihren Hals dargeboten zum Biss in jenen Tagen und Nächten, sie würde es wieder tun, sie konnte nicht anders. Es hatte sich jeder Bruch in ihr gelohnt. Jede Bissspur, die ihr Körper aufwies. Zeichen einer Fähigkeit, strich sie zärtlich über diese Wunden, sich selbst versprechend, niemals aufzuhören, sich selbst zu lieben, egal, wie sehr andere davor auch zurückschrecken mochten, sich der Liebe vollständig auszuliefern.  Daher wusste sie, sie würde ebensowenig aufhören jene zu lieben, die sie gebissen und zerrissen hatten, aus Gründen, die nur ihnen bekannt waren … sie lachte, denn sie wusste in Wirklichkeit gar nichts, sie interpretierte nur, wählte einfach das Leben … jede Auflösung im Schmerz eine Möglichkeit für Veränderung … und eine Verheißung, ein Fingerzeig auf eine ebensolche Freude, die jedem Schmerz zugrunde liegt (denn woher sonst sollte das Wissen um ihn kommen). Sie beschloss (wieder einmal, jedes Mal aufs Neue) zu akzeptieren, dass jede Münze zwei Seiten hat. Kopf oder Zahl. Das war hier die Frage. Und keine Kontrolle möglich. Phantastisch.

Sie hatte das Glück gehabt (das war ja bekanntlich ein Vogerl) und nun … noch immer Glück und würde es auch immer wieder gewinnen. Denn das Glück, das war ihre heimliche Wahl. Das Glück. Das Glück. Das geteilte, gemeinsame und manchmal eben auch einsame Glück.

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8 Kommentare Gib deinen ab

  1. Ulli sagt:

    Deinen Text mag ich sehr und dabei denke ich, was ich seit zwei Tagen immer wieder denke: Liebe braucht Mut- ja, aus Gründen …

    1. Das stimmt. Ja, das stimmt ganz sicher … danke dir, liebe Ulli, ich wünsche dir einen schönen Wochenanfang!

  2. https://www.youtube.com/watch?v=bOu–6UCcSA

    … until she saw there is really no “empty space”, just her/our true Self, from where she/we love them all. Even during the temporary lessons of hurts and torments, we ever freshly love All.

    Resting with you in this place of melting antitheses, dearest Silvia.
    In Gratitude 🙏 Leon

    1. That’s a really wonderful interpretation of that song! Thank you, dear, dear Leon, for your words and thoughts! Have a wonderful evening! Best wishes, Silvia

  3. mcralf sagt:

    Text schön. Foto cool. Oder war es andersherum? Ich wünsche Dir noch einen schönen Sonntagabend. Herzliche Grüße, Ralf.

    1. Dank dir , Ralf :o) … dir auch noch einen schönen Sonntag Abend-Ausklang!

  4. Wow, was für ein starker Text! Sie hatte die heimliche Wahl getroffen, da zieh ich den Hut (den ich nicht besitze). Zwei Seiten für jedes DIng … dein Text hat eine Seite mehr. So kommt’s mir vor.
    Herzlichen Gruß, du kannst ihn zerreißen, wenn du magst. Dahinter ist er unzerreißbar.
    Michael

    1. Oh, nix wird zerrissen, ich schlag grad vor lauter Froide Purzelbäume :o) :o) :o) … herzlichen Gruß zurück! Silvia

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