Frühe Stunde / Early Hour

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Sie liebte es, am frühen Morgen, sobald die ersten Bäckereien ihre Pforten öffneten, hinauszugehen in die Noch-Dunkelheit-wie-mitten-in-der-Nacht, die eiskalte Luft zu atmen, die noch unverbraucht schien, sich die eine noch ofenfrische, handgemachte Semmel zu holen, nach Hause zu schlendern und den allerersten Lichtschimmer am Horizont am Ende der Straße, in der sie wohnte, zu entdecken. Die Menschen zu betrachten, die aus der U-Bahnstation tröpfelten, um bei der Straßenbahnstation darauf zu warten, dass sie die nächste Etappe ihrer Reise (in die Arbeit? von der Arbeit? zu Pflegebedürftigen? zu einer ganz bestimmten Bäckerei, um ein bestimmtes Stück Gebäck zu erstehen? zu laufen? zu wandern? ….) unternehmen konnten. Diese Menschen: die StraßenbahnfahrerInnen, die Müllarbeiter (sie hatte noch keine weiblichen gesehen, aber es mochte sie schon irgendwo geben, nicht wahr?), die Krankenschwestern, Pfleger, Menschen, die sowohl in allen möglichen Einrichtungen und Büros und Privathaushalten putzten, reinigten, die Klos und Badezimmer, die Papierkörbe entleerten, die andere mitunter völlig gedankenlos befüllten, die Schreibtische und Tastaturen desinfizierten, die Ärzte und Ärztinnen, die künstlerischen Menschen, die vor dem Schlafengehen noch ein Betthupferl holten, weil sie ihre Geschichten, Lieder und Musikstücke in den Nächten schrieben, jene Mütter, alleinerziehend oder auch nicht, die noch das Frühstück für ihre Kinder auf dem Heimweg von oder zu der Arbeit besorgten … die Freundlichkeit der Verkäuferin, das Lächeln über die Maske hinweg, das Strahlen in den Augen der Lächelnden … alles wog so schwer und machte das Leben unglaublich leicht. Das erfüllte sie mit einer Dankbarkeit, die sie in ihrem Herzen ganz freiwillig dazu verpflichtete, mindestens ebenso freundlich zu sein wie die Frau, die ihr die handgemachte (wie früh waren die BäckerInnen aufgestanden, dass sie diese wunderbare Gabe nun entgegennehmen konnte?) Semmel überreichte und ihr einen wundervollen Tag wünschte. Mindestens. Mindestens.
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She loved to go out in the early morning, as soon as the first bakeries opened their doors, into the still-darkness-as-middle-of-the-night, breathe the ice-cold air that still seemed unspent, grab that one still-fresh-from-the-oven handmade roll, stroll home, and discover the very first glimmer of light on the horizon at the end of the street where she lived. To look at the people trickling out of the subway station, waiting at the streetcar stop to make the next leg of their journey (to work? from work? to caregivers? to a very specific bakery to purchase a specific piece of pastry? to walk? to hike? ….) could undertake. These people: the streetcar drivers, the garbage workers (she hadn’t seen any female ones yet, but they must exist somewhere, right? ), the nurses, orderlies, people who cleaned both in all kinds of institutions and offices and private homes, who cleaned the toilets and bathrooms, who emptied the wastebaskets that others sometimes filled completely thoughtlessly, who disinfected desks and keyboards, the doctors and physicians, the artistic people who went to get a bedtime snack before going to bed, because they wrote their stories, songs and musical pieces during the nights, those mothers, single or not, who went to get breakfast for their children on the way home from or to work…. … the kindness of the saleswoman, the smile over the mask, the sparkle in the eyes of the smiling … everything weighed so heavily and made life incredibly easy. It filled her with a gratitude that in her heart quite voluntarily committed her to be at least as kind as the woman who handed her the handmade (how early had the bakers gotten up that she could now receive this wonderful gift?) roll and wished her a wonderful day. At least. At least.

© Silvia Springer
© Silvia Springer

14 Kommentare Gib deinen ab

  1. Mindsplint sagt:

    Danke für diesen Tagesausschnitt eines wachen Frühaufstehers – er macht Mut, weil er so ehrlich klingt. 💖💖💖

    1. diespringerin sagt:

      Oh DANKE! Ich glaube, das ist das größte Kompliment. das man einem schreibenden Menschen machen kann, ich freue mich wirklich sehr darüber 🙏🏻💗 Hab’s noch gut, hab’s richtig gut dieses Wochenende, damit du gestärkt in die neue Woche gehst!!!!🤗🤗🤗

      1. Mindsplint sagt:

        Mach du es dir auch nett, hörste? :-) Viele Grüße…

      2. diespringerin sagt:

        😀 Hand aufs Herz!

  2. syl65 sagt:

    I used to deliver newspapers years ago and it was a like seeing the city sleep and slowly awakening. We can never be short when it comes to kindness. It can set the tone for a pleasant day. Thanks for sharing your early morning adventure 😊🥱✌️ 🌞

    1. diespringerin sagt:

      My very pleasure, thank you for your words, you are so right: kindness sets the tone for a pleasant day, includes all…. 🤗🌍🌎🌏🙏🕊️

      1. syl65 sagt:

        You’re welcome and I hope you enjoyed that fresh, baked roll 😊 have a very pleasant weekend, Silvia 😊🤗🌎🌎🌎🙏🏽☮️🕊️

      2. diespringerin sagt:

        Oh I did, thank you, and just had my Saturday fresh handmade roll and cup of coffee after my morning walk… If I was a cat, I would purr all along😊🐱🙃 happy weekend, Syl!

      3. syl65 sagt:

        That’s wonderful and I’m happy you had a nice Saturday morning follow up! Thank you and you have a purrerfect weekend 😺😊☮️😄!

      4. diespringerin sagt:

        😊🐱!

  3. sori1982 sagt:

    Wir nehmen es allzu mit einer Selbstverständlichkeit hin, dass die Menschen in den Backstuben, für die Straßenreinigung, in den Pflegeeinrichtung sehr früh für uns aufstehen.
    Da ich eine leidenschaftliche Fußgängerin bin, betrachte ich jeden Menschen von der Straßenreinigung mit einem gewissen Respekt und fühle Dankbarkeit.

    Wobei, seit der neuen Zeit habe ich so gut wie keine Bäckerei aufgesucht. Bin eine Müsli-Frühstückerin und mir fehlt die Geduld, mich in einer Warteschlange von Menschen einzureihen. Und wenn ich es doch noch in einer Filiale geschafft habe, ertrage ich das Gedrängel von den anderen Menschen nicht mehr. Der Platz in den meisten Bäckereifilialen ist auch sehr knapp bemessen.

    1. diespringerin sagt:

      Drum geh ich dorthin, wenn es noch keine Schlange gibt 😊…

    1. diespringerin sagt:

      💞🌍🌎🌏🤗

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