Die Reisende wurde an ihre Kindheit erinnert, in der sie ganze Nachmittage in der kleinen Filiale der Städtischen Büchereien verbracht hatte. Schmale Fenster nahe der Decke ließen Lichtstrahlen ein, in denen Millionen von Staubpartikeln wie ekstatische Derwische tanzten und kreisten. Die Reisende liebte es, zwischen den Regalen hin und her zu wandern, mit den Fingerspitzen über die Buchrücken zu streifen, bis ihr ein Titel ins Auge sprang, der sie unmittelbar ansprach, auch wenn sie eigentlich kein Wort verstand … zu jung war sie und niemand bei ihr, der ihr deren Bedeutung erklären konnte. Dennoch diese Faszination, die von ihnen für sie ausging, diese Anziehung, diese Begeisterung an bestimmten Formulierungen, die jedes Mal die Frage in ihr auftauchen ließen: “Wo kommen solche Worte her?”
Wie ist es möglich, dass dieser oder jener Dichter, Schriftsteller, Geschichtenerzähler genau diese Aneinanderreihung der Worte wählte, wie konnte das sein, dass jemand SO erzählen konnte, dass es einer die Tränen in die Augen trieb, sie aufgeregt wurde, traurig oder fröhlich?
Sie schlug ein Buch auf, zerlesen, der Duft des vergilbten Blattes stieg in ihre Nase und berauschte sie mehr als jeder Wein es jemals vermögen würde. Es wurde ihr schwindlig manchmal, wenn sie begriff, wie weit die Welt wurde, wenn sie die Seiten umblätterte, den gedruckten Worten folgte, Bilder auferstehen ließ.
Es waren die Bücher, die sie Bescheidenheit lehrten: die Welt – so groß, so voller Schönheit und Hässlichkeit, derartig vielfältig und neu. Jeden Augenblick neu entstehend, ein expandierendes Universum. Wir, die vereinzelten, einzigartigen Seelen ein absolutes Rätsel der Welt an uns selbst.
Immer sehnsüchtig Reisende. Immer da. Einfach nur da. Egal, wo in der Welt, an welchem Ort auch immer.